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 Gravierende Mängel bei Zurrgurten aufgedeckt
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 • Fachverband FSA deckt gravierende
   Mängel bei Zurrgurten auf
• auf GS-Zeichen ist vielfach kein Verlass
• EU-VO für Zurrmittel angeregt


Mangelhafte Ladungssicherung führt immer wieder zu schweren Unfällen auf deutschen Straßen. Der Fachverband Seile und Anschlagmittel (FSA), dessen bundesweit 35 Mitglieder sich größtenteils auch mit dem qualifizierten Vertrieb von Produkten zur Ladungssicherung befassen, hat die Probe aufs Exempel gemacht und diverse Zurrmittel von unterschiedlichen Anbietern außerhalb der Mitgliedschaft untersuchen lassen.

Das Ergebnis war katastrophal:
Knapp die Hälfte aller getesteten Zurrgurt-Systeme hat die physikalische Prüfung nach DIN EN 12195-2 mit erheblichen Mängeln nicht bestanden, ein weiteres Drittel der Produkte war zumindest mit einem Mangel behaftet.


Die Geschäftsführung des FSA kommentiert das Resultat, frei nach Shakespeare, mit den Worten: „Da ist doch etwas faul im Staate Deutschland, wenn derart viele Zurrgurtanbieter das Klassenziel eindeutig verfehlen, ausschließlich sichere Produkte zu verkaufen.“

Ablegereife bereits vor dem Verkauf

Im gemeinsamen Merkblatt zur Ladungssicherung mit dem Titel „Ablegereife von Zurrgurten“, das vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) herausgegeben wird, steht deutlich: „Werden Mängel festgestellt, die die Sicherheit beeinträchtigen, dürfen die Zurrmittel nicht mehr verwendet werden.“

Liegen diese Mängel aber bereits zum Zeitpunkt der „Bereitstellung im Markt“ oder sogar schon beim „Inverkehrbringen in die Europäische Union“ vor, dürfen laut FSA-Geschäftsführer Thomas Vierhaus „die Zurrmittel gar nicht erst verkauft werden“.

Die Verantwortung für unsichere Produkte tragen laut dem deutschen Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) sowohl die Hersteller als auch die Einführer bzw. Importeure, aber am Ende auch die Händler, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen.

Zurrgurte mit GS-Zeichen
haben auch versteckte Mängel


Als der Fachverband Seile und Anschlagmittel im Frühjahr 2018 diverse Zurrmittel von unterschiedlichen Anbietern außerhalb der eigenen Mitgliedschaft beschaffte, schwante Vierhaus bereits nichts Gutes: „Schon beim Blick auf die vorgeschriebenen Inhalte der Etiketten waren viele Kennzeichnungsmängel erkennbar.“

Das Hauptaugenmerk beim Kauf und der anschließenden Begutachtung lag auf zweiteiligen Zurrgurtsystemen mit einer Zurrkraft (LC) von 2.500 daN, was in etwa 2.550 kg entspricht. Insgesamt wurden in der FSA-Stichprobe 36 Zurrgurt-Systeme der physikalischen Prüfung nach DIN EN 12195-2 unterzogen, von denen 17 ohne jeden Zweifel niemals hätten in den Verkauf gelangen dürfen.

Die häufigsten Beanstandungen waren von außen nicht erkennbare Materialfehler. Um diesen versteckten Mängeln vorzubeugen, rät etwa die Bezirksregierung Köln in einem Faltblatt: „Empfehlenswert ist immer der Kauf von Zurrgurten, die mit dem GS-Zeichen („Geprüfte Sicherheit“) versehen sind.“

Auch hier ist der FSA der Sache auf den Grund gegangen, denn 27 der 36 getesteten und leider 14 der 17 mangelhaften Zurrgurt-Systeme hatten ein GS-Zeichen. „Wir waren schockiert“, gesteht Vierhaus ein, „denn wir hatten niemals mit einem so verheerenden Ergebnis bei den mit dem GS-Siegel gekennzeichneten Produkten gerechnet.“

Mangelhafte Qualität der Zurrgurtbänder

Mit Blick auf die Häufigkeiten nach der Art der Mängel stachen vor allem drei Fehler heraus:

•  16 x hatten es die Prüfer mit mangelhaften
   Zurrgurtbändern zu tun (übermäßige Dehnung,
   unzureichende Bandbruchkraft),
•  9 x wurde der Handhebeltest nicht bestanden
   (z. B. Handhebel verbogen, unzulässig hohe
   Halbwellendeformation oder Abscherung der
   Sperrschieber) und
•  9 x wurde die auf dem Etikett angegebene
   Vorspannkraft des verwendungsfertigen Zurrgurtes
   nicht erreicht.

Dringender Handlungsbedarf für Behörden

Diese niederschmetternden Testergebnisse veranlassten den FSA, zusammen mit jeweils einem Vertreter der BG Verkehr und des zuständigen DIN-Normenausschusses, im Juli 2018 bei der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) in München vorstellig zu werden, weil die Konformitätsbewertungsstellen, die ein GS-Zeichen vergeben dürfen, von der ZLS überprüft und auch überwacht werden. Zudem hat die ZLS koordinierende Aufgaben der Marktüberwachungsbehörden aller deutschen Bundesländer.

Der Leiter der ZLS, Ministerialrat Hans-Georg Niedermeyer, zeigte sich in der Gesprächsrunde bestürzt über die vorgelegten Prüfergebnisse: „Hier besteht in der Tat dringender Handlungsbedarf für unsere Behörde sowie für die gesamte Marktüberwachung.“

Michael Garz von der BG Verkehr fügte hinzu: „Immer wieder werden uns Unfälle gemeldet, bei denen sich LKW-Fahrer am Armgelenk verletzen oder von der Ladefläche des Fahrzeuges fallen, wenn der Handhebel verbiegt oder beim Spannvorgang plötzlich versagt. Die Unfallfolgekosten trägt dann der Unfallversicherungsträger, während die Hersteller solcher „Gammelgurte“ den Gewinn einstreichen.“

Verstöße gegen Vorschriften
müssen konsequenter geahndet werden


Die Gesprächsteilnehmer waren sich darin einig, dass nach der Art einer „konzertierten Aktion“ vor allem an der Quelle der GS-Zeichen sowie unmittelbar bei den Verantwortlichen in der Lieferkette der Produkte angesetzt werden muss. Niedermeyer betonte diesbezüglich: „Wir werden jedem ernsthaften Verdacht auf Verstoß gegen die Vergaberegeln sowie jedem Missbrauchsverdacht beharrlich nachgehen und nachgewiesene Tatbestände mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ahnden.

Das kann im schlimmsten Fall die Aussonderung betroffener Konformitätsbewertungsstellen oder den Entzug des GS-Zeichens zur Folge haben. Darüber hinaus können Gerichte bei einem vorsätzlichen Missbrauch des GS-Zeichens eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe verhängen.

Werden die gesetzlichen Vorschriften des Produktsicherheitsrechts nicht eingehalten, stehen den Marktaufsichtsbehörden weitreichende Eingriffsrechte bis hin zu Rückrufaktionen zu.“ Und Vierhaus ergänzte: „Die Missachtung gesetzlicher Vorschriften zur Produktsicherheit kann drastische Folgen haben. Bei schweren Verstößen sieht das ProdSG Bußgelder bis zu 100.000 € vor. Die haftungsrechtlichen Konsequenzen reichen bis zur strafrechtlichen Verfolgung.“

Sogenannte „Quasi-Hersteller“
drücken sich um ihre Pflichten


Unwissenheit schützt vor Strafe nicht; das gilt auch für die „Quasi-Hersteller“. „Wer Produkte unter seinem Namen oder seiner Marke verkauft, egal woher sie stammen und ob er sie selbst gefertigt hat oder nicht, gilt als „Hersteller“ im Sinne der einschlägigen Gesetze und ihn trifft die volle Produktverantwortung.“

Die „volle Produktverantwortung“ meint in diesem Fall vor allem die Herstellerpflichten zur Produktprüfung, Produktkontrolle, z. B. vorgeschriebene Probenahme für die Serienfertigung (stichprobenartige Kontrolle), einschließlich deren Dokumentation und anschließender Produktüberwachung.

„Wir wissen, dass viele Importeure bzw. Einführer, die fremde Produkte unter eigenem Namen vertreiben, hier sehr blauäugig vorgehen, die Kosten einer Produktprüfung sowie der regelmäßigen Kontrolle einsparen und sich allein auf fremde Prüfzeugnisse berufen“, lautet der Vorwurf von Vierhaus.

„Der FSA hat in den vergangenen Jahren bereits einige „Hersteller“ erfolgreich abgemahnt, weil sie ihre Hausaufgaben einfach nicht gemacht haben und z. B. Produkteigenschaften auslobten, die sie niemals selbst getestet hatten und die schlicht nicht vorhanden waren. Diesen Etikettenschwindel darf man getrost Betrug nennen, der eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zur Folge hat. Der Ehrliche ist, wie so oft, auch in diesem Fall der Dumme: Er kann seine ordnungsgemäß überwachten und geprüften Produkte aufgrund des eventuell daraus resultierenden höheren Preises nicht verkaufen. Im Bereich der Zurrgurte sprechen wir hier vielfach über geringste Beträge, die den Ausschlag geben.“

Zum Schutz vor mangelhaften Zurrgurten wäre es nach Ansicht des FSA hilfreich, wenn die Marktaufsichtsbehörden sehr entschlossen gegen die Missetäter vorgehen und bei jedem Verstoß mindestens das Inverkehrbringen sowie den weiteren Vertrieb untersagen würden. „Viele Anbieter werden vermutlich nur aus Schaden klug. Aufklärerische Maßnahmen verpuffen nach unserer Erfahrung vollkommen wirkungslos“, merkt Vierhaus mit Hinweis auf die Testergebnisse an.

Die Überwachungspflichten
müssen stärker angewendet werden


Höchst bedenklich ist, dass 14 der 17 im Test als mangelhaft zurückgewiesenen Zurrgurtsysteme ein GS-Zeichen trugen. Diese hohe Anzahl gibt Anlass, die Überwachungspraxis, bezogen auf die GS-Zeichen, zu hinterfragen. Niedermeyer stellte aus Sicht der ZLS den Sachverhalt klar „Jede GS-Zeichen vergebende Stelle hat die Herstellung der verwendungsfertigen Zurrgurte und die rechtmäßige Verwendung des GS-Zeichens mit geeigneten Maßnahmen zu überwachen – auch im Ausland.“

FSA fordert eine verbesserte
Rechtsgrundlage für Zurrmittel


Zurrmittel (Zurrgurte, Zurrketten und Zurrdrahtseile) sind zwar Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung, aber dadurch ist lediglich geregelt, dass sie durch befähigte Personen wiederkehrend zu prüfen sind. Wünschenswert wäre es nach Ansicht des FSA, wenn auch die Herstellung bzw. das Inverkehrbringen von Zurrmitteln einen rechtlichen Rahmen bekämen, wie dies etwa bei Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) der Fall ist. Dort existiert eine entsprechende EU-Verordnung, die Hersteller, Händler, Importeure, Behörden und Zertifizierungsstellen gleichermaßen betrifft.

„Auch Zurrmittel dürften ohne technische Prüfungen und eine ständige Produktionsüberwachung nicht in den Verkehr gebracht werden“, fordert FSA-Geschäftsführer Thomas Vierhaus und führt aus: „Für PSA zum Schutz vor tödlichen Gefahren oder irreversiblen Gesundheitsschäden ist beispielsweise eine EG-Baumusterprüfung gefordert, das heißt die Prüfung und Zertifizierung durch eine notifizierte Stelle. Eine unabhängige Stelle muss darüber hinaus in unregelmäßigen Abständen wiederkehrende Produktprüfungen oder die Überwachung des Qualitätssicherungssystems durchführen. Ferner ist eine interne Fertigungskontrolle des Herstellers gefordert, mit der sichergestellt wird, dass die hergestellte PSA dem geprüften Baumuster entspricht. PSA, die das Konformitätsbewertungsverfahren bestanden haben, werden mit der CE-Kennzeichnung versehen, die um die Kennnummer der überwachenden Stelle ergänzt wird.“
   
    
 
 
 
 
 
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Zurrmittel im Test: Belastungsprobe eines Handhebels. (Bild: FSA)
   
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