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 Betriebs- und Arbeitszeiten
beim Gütertransport und bei
der Personenbeförderung
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 Lieferungen zu jedem möglichen Termin, 24-Stunden-Services oder der Nachtexpress im Nahverkehr - neue Dienstleistungs- und Logistikkonzepte im Güterverkehr und bei der Personenbeförderung erweitern die Betriebszeiten und verbessern die Wettbewerbsfähigkeit.

Doch stichprobenartige Kontrollen im Güterfernverkehr zeigen, dass rund die Hälfte der Brummikapitäne länger als erlaubt am Lenkrad sitzt. Das Fahrpersonal im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) hat deutlich höhere krankheitsbedingte Ausfallzeiten als der Durchschnitt der Beschäftigten. Immer wieder wird bei spektakulären Verkehrsunfällen Übermüdung als Ursache angegeben.

Um eine bessere Datenlage zu schaffen, gab die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ein Projekt in Auftrag, das die Betriebs- und Arbeitszeiten im Gütertransport sowie im ÖPNV des Ballungsraums und des ländlichen Raums bilanzieren und bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bewerten sollte. Zudem sollten aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Eine Kooperationsgemeinschaft aus dem Institut für angewandte Verkehrs- und Tourismusforschung (IVT), dem Büro für Organisationsentwicklung und Sozialforschung (BOS) und von der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie des Instituts für Psychologie der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg führte die praxisorientierte Studie durch. Um Daten und Informationen zu gewinnen, wurden Sekundäranalysen, Expertengespräche, Workshops, Beobachtungen und Befragungen vorgenommen.

Die Ergebnisse der Untersuchungen in ausgewählten Unternehmen des ÖPNV im Ballungsraum lassen eine Reihe gravierender Probleme erkennen. So wiesen die analysierten Dienstpläne unter arbeitswissenschaftlicher Perspektive erhebliche Mängel auf. Dabei konnten sowohl Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben, besonders auch gegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse, festgestellt werden.

Auffallend ist auch die weitest gehende Ausnutzung der gesetzlichen und tarifvertraglichen Ausnahmeregelungen. Gleichzeitig lässt sich zeigen, dass beim Fahrpersonal im ÖPNV des Ballungsraumes deutlich höhere krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu finden sind. Zwischen dem Umfang der Fehlzeiten und der Ausdehnung der Dienstschichten sowie bestimmten Aspekten des Wechselrhythmus' besteht ein Zusammenhang.

Der ÖPNV des ländlichen Raums weist eine relativ große Spannbreite von Personalmodellen auf. Hier sind grundsätzlich alle Personalmodelle mit Selbstständigenstatus des Fahrers problematisch. Der selbstständige Fahrer ist an keine Arbeitszeitgrenzen gebunden, weil er nicht dem Arbeitszeitgesetz unterliegt.

Ebenfalls problematisch sind die Aushilfs-, Teilzeit- und/oder Nebenerwerbsmodelle, bei denen sich die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten kaum nachprüfen oder kontrollieren lassen. Kommen solche Fahrer beispielsweise aus dem landwirtschaftlichen Bereich, haben sie häufig bereits vor dem Einsatz im ÖPNV Fahrzeuge geführt.

Ebenso ist ein Bäcker, der morgens schon um 3 Uhr in der Backstube steht, bei einem Linieneinsatz im mittäglichen Schülerverkehr sicher nicht ausgeruht und voll konzentrationsfähig. Schließlich ist auch bei den Mehrfacheinsätzen der Fahrer in verschiedenen Leistungsbereichen des Busbetriebes von ähnlichen Mechanismen auszugehen.

Bei den Untersuchungen in Unternehmen des Straßengüterverkehrs hat sich u. a. herausgestellt, dass es eine Vielzahl von Transportkonzepten wie Just-in-Time-Verkehre und 24-Stunden-Services gibt. Insgesamt ist das Fahrpersonal durch die hohe Flexibilität der Betriebs- und Arbeitszeiten einer hohen Belastung ausgesetzt. Diese kann beispielsweise durch erhöhte Lenkzeiten, aber auch durch Arbeiten wie dem Be- und Entladen während der eigentlichen Ruhezeiten hervorgerufen werden.

In allen untersuchten Bereichen des Transportwesens fällt die mangelhafte Arbeitszeitgestaltung auf. Zentrale arbeitswissenschaftliche Gestaltungskriterien wie Dauer, Ruhephasen oder Schichtrotation werden verletzt oder nicht beachtet. Dies verschärft die Belastungssituation und hat negative Folgen. So kann es zu Aufbau von Ermüdungserscheinungen oder zu erhöhten Ausfallzeiten durch Krankheit kommen.

Um die aktuelle Situation des Fahrpersonals zu verbessern, sollten z. B. EU-weite Mindestanforderungen festgelegt werden, die keine nationalen Sonderregelungen zulassen. Aber auch bei den nationalen Regelungen ist mehr Transparenz und Konsistenz gefordert.

Zurzeit besteht das Problem, dass sich die gesetzlichen Gestaltungsspielräume nicht adäquat mit den arbeitswissenschaftlichen Forderungen decken. Auf der Ebene des Kontrollwesens ist unter anderem eine bessere Koordination der Kontrollorgane und auf betrieblicher Ebene die strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu fordern. Wichtig erscheint daher, die Beurteilung der Arbeitszeitgestaltung stärker in der gesetzlich geforderten Gefährdungsanalyse zu verankern.

Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin, Forschungsbericht Fb 1033:
"Betriebs- und Arbeitszeiten beim Gütertransport und bei der Personenbeförderung"; J.-J. Roth, M. Schygulla, H. Dürrholt, F. Nachreiner, Ch. Pankonin;
Der Volltext ist Online verfügbar.
     
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