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 Brexit: Freiheit
für Little England?
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 Die Europäische Union ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Staaten, die gemeinsam für einen zukunftsfähigen Kontinent stehen. Der Austritt ist deshalb ein Rückschlag für jeden überzeugten Europäer

Per Brexit-Votum haben die Briten im Juni 2016 aber entschieden, dass ihnen die angeblichen Vorteile eines autarken Nationalstaates wichtiger sind.

Briten? Schon der erste Blick auf die Mehrheiten zeigt, dass primär die Engländer und die Waliser den Brexit wollen. Schottland steht mehrheitlich zu Europa will nun durch einen GB-Exit in die EU zurückkehren.

Kommt Schottland nach einem eigenen Referendum als eigener Staat zur EU und ersetzt das Pfund durch den Euro? Mit den Wahlen im Mai 2021 haben die Schotten im eigenen Parlament eine klare Pro-EU-Mehrheit.

Kommt es daneben zwischen Irland und Nordirland unter dem Dach der EU zur irischen Wiedervereinigung?
Die Unruhen im April 2021 haben in Nordirland deutlich bestätigt, dass der Brexit die alten Wunden der irischen Teilung wieder voll aufgerissen hat.

Auch in Wales gibt es Distanzierungen gegen eine faktische englische Vorherrschaft.

Was man bei der Einschätzung des Befindens der Nicht-Engländer nicht unterschätzen darf, ist deren geringe Macht innerhalb Großbritanniens. Von den 66,4 Mio. Einwohnern sind

56  Mio. = 84,3 % Engländer,
 5,4 Mio. =  8,1 % Schotten,
 3,1 Mio. =  4,7 % Waliser und nur
 1,9 Mio. =  2,9 % Nordiren.

Und historisch sind die Engländer nicht gerade für ihre politische Rücksichtnahme bekannt. Irland, früher komplett Teil des Vereinigten Königreichs, wurde faktisch wie eine Kolonie bevormundet und auch humanitär rücksichtslos behandelt - bis zur Abspaltung vor ca. 100 Jahren. Nordirland blieb nur aus den damals noch wichtigeren religiösen Gründen beim anglikanisch geprägten Rest-Königreich.
     
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 Am Brexit-Wahltag zog eine heftige Gewitterfront über England - und mit dem Wahlergebnis zog eine politische Gewitterfront hinterher, mit Ausläufern über ganz Europa. Das erste Gewittergrollen war aber nicht mehr als das erwartbare Hurrageschrei der populistischen Brüllaffen und aller Rechtsradikalen.

Bis die Scheidung vollzogen wurde, waren über drei Jahre ins Land gegangen. Zeit, um auf beiden Seiten des Ärmelkanals darüber nachzudenken, was man wirklich wollte - mit Blick auf das britische Mehrheitswahlrecht aber ergebnislos.

Zeitlicher Schlusspunkt war nun das Auslaufen des EU-Rechts Ende 2020, denn bis dahin lief die vertragliche Übergangszeit, bis der EU-Austritt wirksam wurde.

Durch die Insellage beschränken sich physisch darzustellende Grenzfragen auf Irland/Nordirland. Beim Rechtsverkehr und dem Euro waren die Briten ohnehin nicht dabei. Das macht vieles einfacher.

Am schnellsten wird sich die Wirtschaft auf die kommenden Realitäten einstellen. Das hatte und hat - wahrlich fristlos - eine Eigendynamik, wie üblich mit vielen Gewinnern und Verlierern. Per Saldo wird die europäische Wirtschaft Schaden nehmen und damit werden auch Steuern ausfallen. Durch eine Re-Fokussierung der Wirtschaft auf Kerneuropa kann es aber gut sein, dass fast der ganze Schaden an den Briten hängen bleibt.

Bisher wenig thematisiert sind die Auswirkungen auf die Nutzung der englischen Sprache. Das Scheidungsdokumant wäre eigentlich das letzte EU-Dokument in Englisch als Amtssprache - mit den Iren kann die EU ja jetzt vereinfacht in deren keltischer Heimatsprache kommunizieren. Irisch ist ohnehin bereits EU-Amtssprache. Und Englisch ist sonst als Amtssprache nur noch Malta zugeordnet. Da aber auch Maltesisch EU-Amtssprache ist, ist der Nutzung der englischen Sprache wörtlich der Boden entzogen. Aber man wird englisch wohl begrenzt weiternutzen, als weltweit verbreitete Verkehrssprache.

Fiskalisch entfallen die Zahlungen von und die Subventionen nach Großbritannien - das werden die EU-Steuerzahler saldiert gut verkraften. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) bezifferte den direkten Ausfall der britischen Zahlungen für die EU-Kasse anfangs auf 5 Mrd. €. Das konnte man auch als Entwarnung interpretieren: Für die verbleibenden knapp 450 Mio. EU-Bürger wären das nur gut 11 €/Jahr pro Person. Andere Schätzungen erwarten über 10. Mrd. €, aber auch das wären kaum mehr als ca. 25 €/Kopf. Ausbleibende Synergien einer geschrumpften EU sind in dem Schaden aber nicht mitgerechnet.

Die Umverteilungen, die die Briten nun selbst regeln müssen, werden dagegen schwieriger. Obendrein müssen britische Politiker jetzt selbst die Prügel einstecken und können nicht über die mal raffgierige, mal geizige EU schimpfen.

Rolf Albrecht
     
   
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